Überblick
Die Industriegeschichte des Standorts Bitterfeld-Wolfen reicht bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück: Bedeutend beim Wandel von der durch Bauern, Tuchmacher und Töpfer geprägten Wirtschaftsstruktur war der Braunkohletagebau, der 1839 südlich von Bitterfeld begann. Zwei Jahrzehnte später erhielt Bitterfeld Anschluss an die Eisenbahn, was die Industrialisierung vorantrieb. Mit den Konzernen AEG, Griesheim Elektron und AGFA wurde die Region an der Wende zum 20. Jahrhundert ein Zentrum der Chemieindustrie und der Elektrochemie. Vor dem Zweiten Weltkrieg kamen eine Aluminiumhütte und die IG Farben hinzu.
Situation nach der Wiedervereinigung um 1990
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Unternehmen in Volkseigene Betriebe (VEB) der DDR umgewandelt. Das Elektrochemische Kombinat Bitterfeld wurde 1969 zum Chemiekombinat Bitterfeld. Zusätzlich existierten der VEB Industrie- und Kraftwerksrohrleitungsbau Bitterfeld und das Braunkohlenkombinat Bitterfeld. In Wolfen gab es daneben das Film- und Chemiefaserwerk Agfa Wolfen. Produziert wurde meistens an der Grenze der Kapazitäten, notwendige Modernisierungen und Belange des Umweltschutzes wurden nicht beachtet. Am Ende der DDR wurden die Ausmaße der Ausbeutung bekannt, Bitterfeld galt als „dreckigste Stadt Europas“.
Ab 1990 zeigte sich, dass die Industriestruktur in den beiden noch eigenständigen Städten Bitterfeld und Wolfen (Fusion 2007) hoffnungslos überaltert war und einer kompletten Modernisierung bedurfte: Die Betriebe wurden geschlossen, der Abbau von Braunkohle beendet. Der auf der Karte sichtbarste Hinweis auf diese Zeit ist der Goitzschesee, der durch die Flutung der alten Tagebaugrube entstand.
Transformationsprozesse
Zum aufwändigen Strukturwandel zählten die Altlastensanierung und die Privatisierung der Industrieflächen. 1997 entstand der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, auf dessen über 1 200 Hektar – 120 Hektar stehen noch zur Verfügung – sowohl große Konzerne als auch mittelständische Firmen ihren Sitz haben. Insgesamt sind es derzeit mehr als 300 Firmen. 2001 kam für die Hightech-Branche der Technologiepark Mitteldeutschland hinzu. 2009 standen in allen Industrie- und Gewerbegebieten von Bitterfeld-Wolfen mehr als 16 Mio. m² Nutzfläche zur Verfügung, was der Stadt eine herausragende Position als Industriestandort in den neuen Bundesländern sicherte. Zahlreiche renommierte, vor allem chemienahe Konzerne haben hier ihren Standort, darunter Akzo Nobel, DowChemicals, Linde und Evonik. Die tiefe Krise von 1990 ist überwunden. Im Chemiepark arbeiten rund 11 000 Beschäftigte.
Bedeutende Standortfaktoren sind der hervorragende Stoffverbund über Leitungstrassen im gesamten Areal und die gute Verkehrsanbindung durch die Lage zwischen den Bundesstraßen B100 nach Halle, der B184 nach Dessau und der B183 nach Köthen. Die Autobahn A9 Berlin–München liegt nur sechs Kilometer, der Flughafen Leipzig-Halle nur 30 Kilometer entfernt. Eisenbahnverbindungen bestehen nach Berlin, Leipzig und Halle.
Landschaftswandel
Mit umfangreichen und teuren Rekultivierungsmaßnahmen wurde die ehemalige Bitterfelder Bergbaulandschaft in eine Seenlandschaft umwandelt. So entstand ab 1998 der Goitzschesee durch die Flutung der alten Tagebaugrube. Die Goitzsche ist heute ein beliebtes Naherholungsgebiet. Die restlichen Tagebauflächen wurden umgestaltet in Parklandschaften mit vielen Grünzonen. Dadurch hat sich der Anteil der Wasserflächen in der Region stark erhöht, ebenso wie der der naturnahen oder mit Wald bestandenen Flächen. Die Uferzone an der Mulde ist Teil des UNESCO-Biosphärenreservats Mittelelbe.
Große Windparks und zahlreiche Solarparks versorgen die Region mit Strom und Energie. Sie ersetzen die alten mit Braunkohle betriebenen Wärmekraftwerke. Trotz des gelungenen Strukturwandels wird die Region immer noch als strukturschwach eingestuft. Viele Menschen sind in den letzten Jahrzehnten weggezogen. Die ehemals hohe Arbeitslosigkeit ist jedoch stark zurückgegangen.