Überblick
Die Karte zeigt die Strukturen des Tourismus im Alpenraum. In den französischen Alpen dominieren Orte für den Wintersport, die überwiegend in den letzten Jahrzehnten und oft ohne Rücksicht auf die historische Siedlungsentwicklung errichtet wurden. Dagegen hat sich der Sommertourismus in Bayern, Österreich und Südtirol vornehmlich auf der Grundlage alter bergbäuerlicher Dörfer entwickelt. Ein Gegensatz hinsichtlich der Art und Intensität des Tourismus besteht auch zwischen den äußeren und den inneren Gebirgsketten der Alpen, v. a. in Österreich. Im Inneren der Alpen hat dort der Wintertourismus einen höheren Stellenwert, an den Alpenrändern der Sommertourismus. In den Südalpen konzentriert sich der Tourismus auf den Bereich der alpinen Seen sowie auf Südtirol und die Dolomiten. Daneben gibt es im Alpenraum viele kunst- und kulturhistorisch bedeutsame Ortschaften, die eine wichtige Rolle im Kultur- und Städtetourismus spielen. Im Süden sind es besonders die Städte der Poebene von Turin über Mailand und Verona bis Padua mit ihren wertvollen Stadtbildern und Kunstschätzen; am Nordrand der Alpen ragen München, Zürich, Luzern, Bern und die Städte am Genfer See hervor.
In weiten Teilen der Alpen wurde der Tourismus seit der Mitte des 20. Jahrhunderts stark ausgeweitet, vielerorts ist er zur Leitbranche der wirtschaftlichen Entwicklung geworden. In Teilregionen bzw. während bestimmter Saisonabschnitte ist die Grenze der Belastbarkeit des alpinen Lebensraumes inzwischen erreicht.
Vom Massen- zum Ökotourismus
Ab Mitte der 1950er-Jahre setzte der „Sommermassentourismus“ ein. Weite Teile der Alpen wurden für große Gästezahlen erschlossen. Es entstanden Privatzimmer, Pensionen, kleine Hotels und zahlreiche Luftseilbahnen, die auf Aussichtsgipfel führten. Die Ausweitung der touristisch genutzten Fläche betraf etwa die Hälfte des Alpenraumes (v. a. weite Teile des westösterreichischen und bayerischen Alpenlandes sowie Südtirol und die Dolomiten; s. 62.1 und 63.4). Die Boomphase lag zwischen 1955 und 1975, danach stagnierten vielerorts die Übernachtungszahlen; ab Anfang der 1980er-Jahre verzeichneten viele Orte mit einem Schwerpunkt auf dem Sommertourismus sogar Rückgänge in den Gästezahlen.
Der „Wintermassentourismus“, der Mitte der 1960-er Jahre einsetzte, wies bis Mitte der 1980er-Jahre starke Zuwächse auf. Zahlreiche vom Tourismus geprägte Gemeinden entwickelten sich zu Zwei-Saison-Orten mit touristischer Monostruktur. Leitbilder waren mittelgroße Hotels für gehobene Ansprüche und zahllose Skilifte, die über Täler hinweg zu „Skizirkussen“ verbunden wurden. Diese Entwicklung vollzog sich vor allem in den mittelgroßen und großen Touristenzentren, da kleine Gemeinden die teure Infrastruktur nicht finanzieren konnten. Eine Besonderheit dieser Expansionsphase sind die zahlreichen Skistationen, die das Bild in den französischen Alpen, insbesondere in Savoyen prägen. Mitte der 1980er-Jahre war der Boom vorbei. Weil die touristischen Einrichtungen dennoch weiter ausgebaut wurden, entstanden bedeutende Überkapazitäten. Die schneearmen Winter 1987 bis 1990 verschärften die Konkurrenz. Die ersten Regionen gingen dazu über, mit großflächigen Beschneiungsanlagen ihr Angebot attraktiver und unabhängiger vom Wetter zu machen. Wintersportzentren wie Sölden, das Grödnertal (s. 117.4), Zermatt und Saas Fee erlangten dadurch eine gewisse Monopolstellung. Mit der künstlichen Beschneiung verbunden war auch eine Verlängerung der Wintersaison.
Die jüngste Phase des alpinen Tourismus zeichnet sich gerade ab. Die Teilregionen der Alpen setzen für ihre Entwicklung auf unterschiedliche Schwerpunkte; dies hat eine Ausdifferenzierung der Angebote und Strukturen ermöglicht. Das enorme quantitative Wachstum des Alpentourismus seit Mitte der 1950er-Jahre hat zu einer sehr flächenintensiven Nutzung einiger Regionen geführt; die Risiken, die sich aus der gravierenden ökologischen Beeinträchtigung der Alpenwelt ergeben, wachsen. Charakteristisch ist daher der Ruf nach einem „Ökotourismus“, der dem Umweltschutz einen höheren Stellenwert einräumt – insbesondere in Nationalparkregionen macht sich dieser Trend bemerkbar (s. 117.3 ). Andernorts wird versucht, die Orte mit ganzjährig nutzbaren Einrichtungen, zum Beispiel im Sport-, Gesundheits- und Wellnessbereich, auszulasten und die Konzentration auf eine Winter- und / oder Sommersaison abzumildern. Seit Jahren nimmt das Angebot an Outdoor-Aktivitäten im Winter- und Sommertourismus zu.