Accra (Ghana) - Stadtentwicklung - 2023

Afrika - Facetten der Nachhaltigkeit
978-3-14-100902-6 | Seite 160 | Abb. 2| Maßstab 1 : 25000

Überblick

Die Küstenstadt Accra ist mit rund 2 Millionen Menschen Ghanas größte Metropole und zugleich Hauptstadt und Regierungssitz des Landes. An der Stadtgrenze breitet sich in der Korle-Lagune die große informelle Siedlung Old Fadama aus. Daneben liegt die mit Umweltgiften stark belastete Brachfläche Agbogbloshie, die bis zu ihrer Räumung 2021 zu den weltweit größten Mülldeponien für Elektroschrott gehörte. Seit 2015 ist die Stadtverwaltung bemüht, die riesige Fläche zu sanieren. Die Maßnahmen gehen mit Zwangsräumungen einher.

Größte informelle Siedlung des Landes

Old Fadama liegt angrenzend an Accras Hauptgeschäftszentrum mit seinen überdachten Märkten und Straßenmärkten und nahe des Industrie- und Gewerbegebietes. Hier leben rund 100 000 Menschen in provisorischen Behausungen unter äußerst prekären Bedingungen: Soziale Einrichtungen fehlen ebenso wie sanitäre Einrichtungen, es mangelt an sauberem Trinkwasser, medizinischer Versorgung und Abfallbeseitigung. Die Bewohnerinnen und Bewohner, von der übrigen Bevölkerung der Stadt und des gesamten Landes weitgehend stigmatisiert, leben zum Großteil in extremer Armut und in permanenter Unsicherheit, da ihre Siedlung rechtlich nicht anerkannt ist.

Informelles Recycling

Eine wichtige Einnahmequelle für die Menschen von Old Fadama war bis zur Räumung 2021 die benachbarte Mülldeponie Agbogbloshie. Dort betrieben Tausende täglich informelles Recycling und untersuchten die Berge von Elektroschrott nach verwertbaren Materialien wie Kupfer, Aluminium, Coltan oder Gold. Dafür wurden Altgeräte – ausrangierte Smartphones, Fernsehgeräte, Computer, Waschmaschinen, Rasenmäher – vor Ort geschmolzen und die unbrauchbaren Reste in Brand gesetzt. Dabei traten giftige Stoffe und Dämpfe aus wie Blei, Arsen, Quecksilber und Cadmium, die der Gesundheit der Menschen zusetzte und die Umwelt verunreinigten.
Ghana ist ein wichtiger Standort für die Sammlung, Wiederverwertung, Rückgewinnung und Entsorgung von elektronischen Geräten. Das Altmaterial stammt aus allen Ecken der Welt, insbesondere aus den Industrieländern Amerikas, Europas und Asiens. Nach der Baseler Konvention von 1989, die eine umweltgerechte Entsorgung von Elektronikabfall regelt, dürfen nur funktionsfähige Second-Hand-Geräte exportiert werden. Es ist aber davon auszugehen, dass viele illegale Transporte mit Schrott, der nur als gebrauchte Altgeräte deklariert wird, Ghana erreichen. Ein Großteil der anfallenden Menge landete bisher auf der Deponie Agbogbloshie. Die dort aus dem Schrott herausgefilterten Metalle nahmen als begehrte Rohstoffe wieder über Großhändler ihren Weg in die Industriestaaten.

Umweltverschmutzung

Neben den gravierenden Folgen für die menschliche Gesundheit stellt die Freisetzung hochgiftiger Stoffe eine erhebliche Belastung für die Umwelt dar. Sie gelangen in die Luft, in den Boden und ins Wasser und schließlich auch in den Nahrungskreislauf. Die Deponie Agbogbloshie wird zu den am stärksten verschmutzten Orten weltweit gezählt. Dort sickerten belastete Rinnsale auch ins Grundwasser und in den Fluss Odaw ein, der an der Küste mit seinen Schadstoffen in den Atlantik mündet. Die Umweltbehörde des Landes ging davon aus, dass in Accra rund 250 000 Menschen direkt von der Umweltverschmutzung betroffen waren.

Flächenräumungen

Nachdem von offizieller Seite aus lange nichts gegen den tonnenschweren Elektronikschrott und die immer größer werdende Deponie unternommen worden war, fanden ab 2015 umfangreichere Maßnahmen statt. Sie zielten darauf ab, das informelle Recycling einzudämmen und gleichzeitig eine weniger gesundheits- und umweltbelastende Wertstoff-Rückgewinnung zu unterstützen. 2015 nahm die Stadtverwaltung eine vorangehende Überschwemmung zum Anlass, um Teile der informellen Siedlung Old Fadama abzureißen. Die Zwangsräumung führte zu öffentlichen Protesten. Im Zuge der Sanierung räumten 2021 Bulldozer auch das etwa 20 Hektar große Gelände von Agbogbloshie. Lagereinrichtungen und Hütten wurden zerstört und die hier tätigen Menschen vertrieben. Auch diese Maßnahmen waren mit Unruhen verbunden.

Kritik

Die Zwangsräumung von Agbogbloshie fand in der Öffentlichkeit ein geteiltes Echo. So wurde als Kritikpunkt angeführt, dass der Abriss einen für die Bevölkerung von Old Fadama überlebenswichtigen Erwerbszweig zerstöre, ohne dafür anderweitig Abhilfe zu schaffen. Außerdem mache die Aktion langjährige Maßnahmen von auch internationalen Entwicklungsorganisationen zunichte, die vor Ort bemüht waren, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, den materiellen Ertrag zu steigern, die Umweltbelastungen zu mindern und eine nachhaltige Bewirtschaftung zu ermöglichen. Außerdem wurde befürchtet, dass das informelle Recycling von Agbogbloshie auf andere Orte verlagert werde.

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