Südamerika - Wirtschaft

Südamerika - Wirtschaft
978-3-14-100919-4 | Seite 216 | Abb. 1| Massstab 1 : 16000000

Überblick

Mit den sehr hohen, geologisch jungen Anden im Westen, den ausgedehnten Ebenen mit ihren riesigen Stromsystemen im Landesinneren und den niedrigeren, geologisch alten Gebirgen im Osten bestehen in Bau und Oberflächengestalt grosse Ähnlichkeiten zu Nordamerika. Klima und Vegetation werden dagegen durch die Lage in den Tropen bestimmt (mit Ausnahme des Südens), hinzu treten Gegensätze auf der Ost- bzw. der Westseite der Anden sowie eine ausgeprägte Höhenstufung. Die Anden sind trotz ihrer Höhenlage der älteste Siedlungsraum, an ihrer Bevorzugung hat sich bis heute nichts geändert (s. beispielweise Kolumbien).

Einordnung und Vergleich

Eine führende Stellung in Südamerika und auch weltweit nimmt Brasilien ein. Das Land bildet mit China, Indien, Russland und Südafrika die Gruppe der BRICS-Staaten. Dies sind Schwellenländer mit hohen wirtschaftlichen Wachstumsraten, die in naher Zukunft zu den wirtschaftlich bedeutendsten Ländern der Erde aufschliessen könnten.
Der Entwicklungsstand der Länder Südamerikas kann zum Beispiel mithilfe von Indikatoren wie dem HDI und dem BIP pro Kopf verglichen und eingeordnet werden. Das BNE pro Kopf (s. 256.1) liegt in den meisten Ländern etwas unter oder über dem Weltdurchschnitt und ist damit mit jenem Russlands, Chinas oder osteuropäischer Staaten vergleichbar. Nur Bolivien fällt mit deutlich unterdurchschnittlichen Werten ab, für Venezuela liegen keine Werte vor. Das BNE pro Kopf liegt fast überall höher als in weiten Teilen Afrikas und dem Pro-Kopf-Einkommen im südlichen Asien. Allerdings muss hier beachtet werden, dass der Indikator als Durchschnittswert allein nichts über die Verteilung innerhalb eines Landes aussagt und daher zum Beispiel Einkommensgegensätze verschleiern kann. Daher sollte er zum Beispiel um Aussagen zur Armut ergänzt werden.
Nach dem HDI (s. 258.1) zu urteilen, zählen Chile, Argentinien und Uruguay zu den sehr hoch entwickelten Ländern (wie auch fast alle europäischen Staaten sowie Russland), die meisten anderen Staaten bilden eine Gruppe hoch entwickelter Länder in Südamerika (so wie auch China, Iran, Südafrika, einige Staaten im Norden Afrikas sowie Mexiko und Indonesien). Venezuela und Bolivien zählen heute als einzige Länder Südamerikas zur Gruppe der Länder mit mittlerem Entwicklungsstand (so wie Indien und einige Staaten des südlichen Afrikas).

Rohstoffe und Energieressourcen

Südamerika ist ein rohstoffreicher Kontinent. Entlang der Anden werden vor allem Bunt- und Edelmetallerze gefördert. Im Osten des Kontinents werden grosse Lagerstätten von Eisenerz, Mangan und Bauxit ausgebeutet. Auch bei zahlreichen Agrarprodukten wie Soja, Kaffee, Ananas, Bananen, Rind- und Geflügelfleisch und in der Fischerei nehmen südamerikanische Länder Spitzenpositionen ein. Der Rohstoffreichtum und die Agrarorientierung äussern sich im Aussenhandel. Chile zum Beispiel erwirtschaftet über 80 Prozent seiner Exporterlöse mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln, in Ecuador sind es rund 90 Prozent und in Argentinien noch 50 Prozent, wobei dort der überwiegende Teil auf Nahrungsmittel entfällt. Die grosse Bedeutung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen dieser Länder ähnelt der in Ländern wie Australien.
Die Energieversorgung beruht vor allem auf der Nutzung der Wasserkraft zur Stromerzeugung und auf einheimischen Erdöl- und Erdgasvorkommen. Viele Länder Südamerikas haben diese in den letzten Jahrzehnten erkundet und erschlossen, einige sind sogar zu Exporteuren geworden (s. 250.1), auch wenn die Mengen nicht mit denen der Erdölstaaten Westasiens vergleichbar sind. Eine Ausnahme stellt diesbezüglich Venezuela dar, das zu den Ländern mit den weltweit grössten Erdölreserven zählt. Auch im Nachbarland Guyana wurden in den letzten Jahren ergiebige Erdölvorkommen entdeckt, die dem Land zu einem enormen Wirtschaftswachstum verholfen haben.
Argentinien und Brasilien setzen zudem bei der Stromerzeugung auf die Kernkraft.

Siedlungsstrukturen, Wirtschaftszentren und Entwicklungstendenzen

Die Besiedlung der Staaten ohne Anteil an den Anden ist ausgesprochen küstenorientiert. Verkehrsgünstig am Atlantik liegen die grossen brasilianischen Ballungsräume und Industriezentren São Paulo und Rio de Janeiro und die argentinische Metropole Buenos Aires, an der Pazifikküste stechen die chilenische Hauptstadt Santiago und die peruanische Hauptstadt Lima hervor. An den Küsten liegen auch die Häfen, über die zum Beispiel Agrarprodukte wie Bananen und Rohstoffe wie Eisen- oder Kupfererz exportiert werden.
Die wirtschaftlich stärksten Staaten Südamerikas sind Brasilien und Argentinien. Die Konzentrationspunkte der Industrie liegen in den Städten am Rio de la Plata, in Porto Alegre, São Paulo und Rio de Janeiro an der Ostküste, an der Westküste kann nur der Grossraum Santiago konkurrieren. Die Industriestruktur ist an diesen Standorten weitgehend diversifiziert.
Auffällig ist, dass sich in fast allen Staaten Südamerikas die Industrie und damit auch die Arbeitsplätze auf wenige Zentren, oft gar nur auf die Hauptstadt-Agglomerationen konzentrieren (Primatstädte). Daraus resultieren erhebliche räumliche Disparitäten, die wiederum Auslöser von Migrationsbewegungen in den jeweiligen Ländern sind. Viele Menschen strömen auf der Suche nach Arbeitsplätzen und besseren Lebensbedingungen in die grossen Städte. Zugleich sind aber auch, zum Beispiel in Brasilien, die noch nicht erschlossenen, dünn besiedelten Regionen im Landesinneren typische Wanderungsziele. Im Südosten Amazoniens ist die Erschliessung solcher Gebiete am weitesten fortgeschritten. Als Leitlinie für ackerbauliche Nutzung, Holzwirtschaft und Rohstofferschliessung erweisen sich der Amazonas und seine Nebenflüsse, neu gebaute Bahnlinien und die grossen Strassen (Transamazônica). Von Süden her wurden die ehemals bewaldeten Ebenen in eine offene Landschaft umgewandelt, die von der extensive Rinderhaltung und dem Anbau von Soja dominiert werden (vgl. 219.5).

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