Rondônia - Agrarkolonisation

Südamerika - Klima und Regenwald
978-3-14-100919-4 | Seite 219 | Abb. 6| Massstab 1 : 8000000

Überblick

Seit den 1970er-Jahren erfolgt am Südsaum des Amazonas-Regenwaldes im brasilianischen Bundesstaat Rondônia eine umfangreiche Agrarkolonisation. Sie basiert sowohl auf staatlicher Landvergabe als auch auf illegaler Landnahme und ist auf Rinderhaltung und Ackerbau ausgerichtet.

Bevölkerungsentwicklung

Im brasilianischen Bundesstaat Rondônia im Südwesten des Amazonastieflands lässt sich seit den 1970er-Jahren eine überaus dynamische landwirtschaftliche Erschliessung beobachten. Ein Beleg dafür ist die starke Zuwanderung, durch die die Gesamtbevölkerungszahl bis 1991 auf 1,1 Mio. und bis 2020 auf knapp 1,8 Mio. stieg. Ihren Höhepunkt hatte die Zuwachsrate zu Beginn der 1980er-Jahre. Dass sie im Vergleich dazu heute mit rund 100 000 Personen in einem Zeitraum von fünf Jahren deutlich geringer ausfällt, deutet darauf hin, dass kaum noch neues Land erschlossen werden kann, Verdrängungsprozesse durch Grossbetriebe stattfinden und Erwerbsmöglichkeiten ausserhalb der Landwirtschaft rar sind – nur der Abbau von Zinn und die Holzverarbeitung haben in Rondônia eine gewisse Bedeutung.

Agrarkolonisation

Das Erschliessungsmuster folgt – wie in anderen Teilen Amazoniens auch – in erster Linie den Verkehrswegen. Von dort aus werden seitlich Trassen in den Regenwald geschlagen und in Acker-, Weide- oder Siedlungsland umgewandelt, häufig spielt dabei in der Initialphase auch der Holzeinschlag eine wichtige Rolle (Standorte der Holzverarbeitung in Rondônia, s. 219.5). Schliesslich werden diese Trassen, zwischen denen zu Beginn noch Waldstreifen existieren, zu einer zusammenhängenden waldlosen Fläche erweitert.
Die Agrarkolonisation ist auf Rinderhaltung und Ackerbau ausgerichtet. Im System der Landwechselwirtschaft werden vor allem Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Maniok und Mais angebaut. Hinzu kommen die Dauerkulturen Kakao und Kaffee (s. 216.1). Während die Grundnahrungsmittel primär der Eigenversorgung und dem Verkauf auf lokalen und regionalen Märkten dienen, sind Rinderhaltung und Dauerkulturen auf die nationale und internationale Vermarktung ausgerichtet. Hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeiten ergeben sich unterschiedliche Verhältnisse. Die Weidenutzung zur Rinderhaltung ist diesbezüglich kaum wirksam, da zwar grosse Flächen, aber – anders als für den Ackerbau – nur sehr wenige Arbeitskräfte benötigt werden.
Die landwirtschaftliche Erschliessung Rondônias erfolgt nicht nur staatlich gelenkt – also durch Landvergabe –, sondern auch durch illegale Landnahme. Geschlossene Waldflächen haben sich vor allem in den Wald- bzw. Indigenengebieten erhalten.
Der zunehmende Verkauf von Land durch die Kleinbauern und der damit einhergehende Trend zur Besitzkonzentration und Expansion grossbetrieblicher Rinderweidewirtschaft sind heute die grössten sozio-ökonomischen Probleme in Rondônia. Die Folge dieser Entwicklung ist eine Verdrängung der Kleinbauern, also eine Reproduktion genau jener Disparitäten in ihren Herkunftsräumen, denen die Kolonisten durch die Auswanderung nach Rondônia entgehen wollten.

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